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Annäherungen an ein schillerndes Gewässer

Die Fans des Meeres ‒ unterschiedlich verschieden

Schon ein kursorischer Überblick über das, was an Emotionen gegenüber dem Meer und seinen Gestaden anzutreffen ist, macht deutlich, dass es unter den Verächtern und Madigmachern des Meeres wie dem Travnicek einerseits wie seinen Enthusiasten andererseits („beim Anblick des Meeres weiß ich um den zärtlichsten Punkt in mir” - Zitat aus dem Internet) ein breites Spektrum heterogener Zwischentöne gibt. Von daher kann auch nicht von einer einheitlichen Fan- bzw. Aversionsgemeinde gesprochen werden.

Fangen wir mit den Fans an. Die einen treibt es im Sommer ans Meer (die Rede ist hier beispielhaft vom Mittelmeer), weil es neben dem (warmen!) Wasser ganz viel Sonne, Sand, Liegestühle und Sonnenschirme, incl. Strandgetränkeservice gibt. Diese Meeresbesucher haben ihre Hotels oder Pensionen meist in unmittelbarer Nähe des Meeres oder zumindest mit Meerblick, verbringen ihre Tage fast immer an ausgewiesenen Privat- und/oder häufig überfüllten öffentlichen Stränden, ohne mit Land und Leuten, den „Einheimischen” groß in Kontakt zu kommen. Über diese „Massen”- oder „All-inclusive”-Touristen soll hier nicht geschmäcklerisch-abfällig hergezogen werden (schließlich hat die Art des Urlaubmachens nicht nur mit „Stil”, sondern immer auch und noch etwas mit dem jeweiligen Budget zu tun!). Sie werden hier angeführt, weil sie für einen beträchtlichen Teil derer stehen, die es regelmäßig immer wieder ans Meer (häufig an die gleiche Stelle) zieht, weil sie sich hier wohlfühlen, „Herz und Seele baumeln lassen” können.

Für andere Fans wiederum wäre eine solche Art, ihre Zeit am Meer zu verbringen, ein einziger Graus. Sie legen Wert auf „Eigengestaltung”, reisen gewöhnlich nicht als „Gruppe” an, vermeiden Massenunterkünfte, besuchen gerne „einsame Strände” und berühmte „Kulturstätten” (von denen sie aus einschlägigen Alternativ- Reiseführern oft schon vorab wissen), gehen auch eher in „authentische” Lokale und sind offen auch für das Gelände hinter den Stränden - eben für Land und Leute.

Wenn sie den Strand mit den „All-inclusive”-, den „TUI-Touristen” et al. teilen (müssen), dann nicht selten ein wenig abseits und eher eigene Sonnenschirme und Liegematten benutzend. Häufig auch eher lange, gesundheitsschädigende Sonnenbäder vermeidend.

Selbstverständlich variieren Verhalten, Bedürfnisse, Vorlieben und Interessen von Menschen auch danach, wie sie unterwegs sind: Als Einzelreisende (Mann oder Frau), Paare oder Familien ‒ jung oder alt. Dem soll hier aber nicht weiter nachgegangen werden. Für den in diesen Streifzügen gewählten Erkundungsrahmen mag es ausreichen, sich klarzumachen, dass Annäherungen an das „Faszinosum Meer” es eben nicht nur mit mehr oder weniger salzigem Wasser zu tun haben, sondern immer auch mit dem, was vom Meer nicht getrennt werden kann: das Land und die Menschen, die dort leben; der sandige oder steinige Strand, dessen einsame oder mit Liegestühlen übersäte Lage; das Verlangen nach Erlebnissen und Abenteuern, die Lust auf Sport oder Lektüre… Pointiert gesagt: Menschen kommen mit bestimmten Erwartungen, Vorlieben und Interessen ans Meer und treffen auf Gegebenheiten wie Möglichkeiten. Dieses Ensemble konturiert letztlich das, was das „Meer” ‒ genauer: der Urlaub am Meer ‒ ihnen dann an Be- und Verzauberung oder Erholung bringt.

Das klingt verdammt prosaisch, schlimmer: fast soziologisch, distanziert analysierend. Als ob es nicht die wahren Meeresliebhaber und -liebhaberinnen gäbe: die umweltfreundlichen wie umweltschonenden Schwimmer, Schnorchler und Taucher, die stundenlang im Wasser verweilen, um der Fauna (soweit vorhanden) und Flora (soweit vorhanden) nachzuspüren wie sich an ihnen zu erfreuen ̶ und die den Strand (sei er nun steinig oder feinsandig) vorwiegend zum Luftholen, Ausruhen wie zum „vernünftigen” Sonnenbaden aufsuchen - und dies auch nur da, wo gewährleistet ist, dass keine Caretta-Caretta am Ausschlüpfen gehindert wird!

Oder die Männer und Frauen, die ihr Baden im Meer zu einer „philosophisch-mystischen” Grenzerfahrung zu veredeln wissen! Nur der, der wirklich erlebt hat, was es in einem auslöst, auf dem Rücken zu schwimmen oder sich treiben zu lassen, das Blau des Himmels wie das Licht der Sonne wahrzunehmen und in sich zu speichern, wird das Einswerden mit dem Wasser, die Verschmelzung von „Ich und All”, die Auflösung von Trennendem, die „unio mystica” von Gefühl, Raum und Zeit nachzuvollziehen und zu ehren wissen! (Aus einem Gespräch mit einer Meeresenthusiastin)

Fakten und Gefühle ‒ H2O, Ahhs und Ohhs
Die Fans des Meeres ‒ unterschiedlich verschieden
Disharmonien im Spektrum ungetrübter Meeresfreude
Angst vorm Meer ‒ gepaart mit Faszination

Von Hans Lösch, München im März 2014