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Misslungenes Interview der „FAZ” mit Tsipras

Nur knapp acht Minuten dauerte ein Interview der „FAZ” mit Griechenlands Oppositionsführer Tsipras. Dann setzte der Linkspopulist den Korrespondenten vor die Tür - wegen angeblich unethischen Arbeitens. Die Zeitung dokumentiert den Streit.

Athen - Bei der fünften Frage ist Schluss: Alexis Tsipras, Chef des griechischen Linksbündnisses Syriza, bricht das Interview mit dem Korrespondenten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung” nach sieben Minuten und 50 Sekunden ab. Journalist Michael Martens wollte von dem Oppositionsführer zuvor wissen, was er denn damit gemeint habe, als er im Juni 2012 gesagt habe, dass die Regierungsparteien Nea Dimokratia und Pasok „die griechische Flagge erniedrigt und an Angela Merkel ausgeliefert” hätten.

Tsipras und seine Syriza lehnen die Sparprogramme ab, denen sich die Regierung unterwerfen musste, um Finanzhilfen der Euro-Partner für das hoch verschuldete Griechenland zu erhalten. Bösartig findet Tsipras Martens' Frage. Er habe das „niemals” behauptet, sagt der Linkspopulist. Dabei gibt es laut „FAZ” ein Video des griechischen Fernsehens von der Syriza-Abschlusskundgebung am 14. Juni 2012 in Athen und eine Presseerklärung, die das Zitat des Linkspopulisten belegen.

Doch Tsipras' Pressesprecherin beschwert sich nach dem Interview bei einem der Heraus­geber der Zeitung. Der Fragesteller habe „die Grenzen journalistischer Arbeitsethik weit überschritten”, er arbeite mit „Gerüchten, Aussagen Dritter und ungeprüft übernommenen Informationen”, heißt es in ihrer E-Mail. Und weiter: Da er der „Klatschpresse” keine Interviews gewähre, habe Tsipras sich genötigt gesehen, das Gespräch abzubrechen.

Die Athener Zeitung „Avgi” (Morgenröte), das Parteiblatt der Syriza, veröffentlicht wenig später einen Artikel über den „FAZ”-Korrespondenten. Darin heißt es:

„M. Martens scheint aber von dem Stil eines Prokonsuls inspiriert zu sein, mit welchem seine Landsleute, Politiker sowie Funktionäre der Troika, aufzutreten pflegen, wenn sie in den Büros der griechischen Regierung herumspazieren. (...) Daher dachte er, der Oppositionsführer sei allgemein sogar für Interviews politisch verantwortungsloser Natur verfügbar...”

Die FAZ reagiert nun ihrerseits - sie hat ein Transkript des Interviews veröffentlicht - und fragt:

Wenn Alexis Tsipras und seine Leute einen Journalisten, der sie mit ihren eigenen Aussagen konfrontiert, unethisch nennen - sagt das nicht am Ende mehr über sie selbst und die Kultur ihres politischen Dialogs aus als über denjenigen, der sie zitiert?

Quelle: SPIEGEL ONLINE