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Der Tod (m)eines Hundes

Es war ein wunderschöner Frühlingstag. Einer der ersten nach einem kalten, nassen Winter und ich hatte, wie so oft Freunde zusammengetrommelt, um eine schöne, lange Wanderung zu machen. 20 km, fünf verlassene Dörfer, ein ganzer Tag mit Sonne, Blumen, herrliche Wanderwege durch Schluchten und hohe Wiesen lag vor uns.

Wir alle freuten uns an den ersten Blumen, fotografierten, nahmen die Frühlingsdüfte in uns auf. Mein Hund genoss den Tag wie wir, schwanzwedelnd sprang er in großen kraftvollen Sprüngen vor uns her, stoppte abrupt, steckte die Nase ins hohe Gras und fiel um. Er versuchte sich aufzurichten, schaute mich mit weit aufgerissenen Augen an und blieb regungslos vor mir liegen.

Ich rief einen Freund in Deutschland an, er ist Tierarzt, kennt den Hund seit Jahren und auch Griechenland. Ich beschrieb ihm was gerade passiert war und er meinte überrascht: Seltsam, das hört sich nach Zyankali an.

Zyankali? In dieser schönen Landschaft, an einem Tag wie diesem? Unmöglich, das passte irgendwie nicht. Wenn ich Zyankali höre dann denke ich an Selbstmörder in ausweglosen Situationen, an Menschen die sich vorbereitet haben zu sterben. Oder an Mörder die mit Blausäure jemanden umbringen wollen. Dieses starke Gift kann man unmöglich einfach kaufen und dann in die Natur legen, warum, wofür, wer?

Seit vielen Jahren habe ich Hunde .Genauer gesagt 10 Jahre lang hatte ich in Deutschland einen Schäferhund, (mit ihm zusammen kam ich nach Griechenland und hier lebte er bis zu seiner Vergiftung noch ganze 4 Wochen), und 6 Hunde in meinen 20 Jahren in Griechenland, der letzte Hund starb vor ein paar Tagen .

Nach diesem für uns ganz überraschendem Giftanschlag 1992 wollte ich keinen Hund mehr, die Trauer dauerte lange und hätte fast meine Liebe zu Griechenland zerstört. Ein Jahr später eroberte der erste Welpe wieder mein Herz und damit begannen meine „Hundeverliertrauerjahre“. Ich habe gelernt mit dieser Gefahr zu leben und die Bindung an die Tiere wurden - bis auf meinen letzten Hund - nie wieder so eng.

Vor ein paar Tagen habe ich meinen letzten Hund verloren. Mit diesem Hund habe ich fast 13 Jahre verbracht. Ich hatte mich zum „Hilfstierarzt“ entwickelt. Lief nie ohne Gegengift in der Tasche und habe damit meinem und anderen Hunden unzählige Male das Leben gerettet. Hier zu Lande legen die Bauern und Jäger Giftköder aus. Meistens ein Pulver (Lanet), gemischt mit ein wenig Fleisch. Dieses Gift verliert seine Wirksamkeit je länger es mit Sauerstoff in Berührung kommt. Es kann also sein, der Hund frisst einen solchen Köder und hat „nur“ geringe Anzeichen der Vergiftung wie: Schlappheit, Gleichgewichtsstörungen usw. Ist das Gift aber frisch, treten sofort Lähmungen auf. Mit keinem üblichen Mittel (Salzwasser, Milch, Öl…) kann man den Hund dazu bringen das Gift zu erbrechen da die Lähmung auch die inneren Organe befällt. Das Gegengift, subcutan gespritzt, bewirkt dass durch einen Reflex der Hund würgt und alles erbricht. Danach muss ein Kreislauf stärkendes Mittel gespritzt werden, so überlebten meine Hunde diese Giftattacken, meistens, aber nicht immer.

Letzten Sommer hatte meine Hündin einen alten Giftköder in der Nacht gefressen (keiner weiß wie dieser auf mein eingezäuntes Grundstück gekommen war), ich konnte es also nicht gleich feststellen und als ich sie am nächsten Morgen fand war sie in einem erbärmlichen Zustand . Sie überlebte, hatte aber seitdem Lähmungen (Kopf hing schief).

Trotz aller Katastrophen und zunehmendem Alters (bei uns beiden) konnte ich mit meinem Hund zwei Mal pro Woche 20 km wandern. Zusammen mit einer Wandergruppe laufen wir seit Jahren jeden Samstag und jeden Mittwoch. Die Wanderungen sind beliebt bei Leuten die ständig hier leben aber auch bei Touristen. Über eine Webseite informieren wir über Treffpunkt, Länge der Strecke sowie den Schwierigkeitsgrad und vor allem: Was wir sehen werden. Die Resonanz ist großartig, manchmal sind wir 30 Leute, sieben verschiedene Natfionalitäten aller Altersgruppen. Die ältesten sind 80 Jahre, die jüngsten 5 Jahre alt. Wir kennen die Gegend (südwestliches Peleponnes) gut und haben begonnen unsere Wanderungen aufzuschreiben. Die Nachfrage nach unseren Karten ist groß und deshalb haben wir uns mit dem Touristikverein Kalamata zusammen getan .Wir wollen helfen einen Tourismus außerhalb der Saison aufzubauen. Gerade in der nicht so heißen Jahreszeit bietet Griechenland viele Möglichkeiten für einen tollen Urlaub. Wer mag schon gerne bei 40° den Berg bei Mistras erklimmen oder in Olympia durch die Wettkampfarena laufen wenn er dies auch in einem gemäßigterem Klima tun kann: Nach- und Vorsaison. Im Herbst oder im blühenden Frühjahr ist dies wesentlich schöner. Wir wollen Werbung für Griechenland machen und ich denke bisher ist dies auch schon erfolgreich geschehen. Außerhalb der Saison bedeutet aber auch: Familien mit nicht schulpflichtigen Kindern und Rentner oft mit Hunden da diese drei und mehr Monate lang bleiben wollen.

Wie anfangs schon erwähnt habe ich nun vor ein paar Tagen meinen Hund verloren. Vergiftet. Diesmal halfen die Spritzen nicht, der Hund war in Sekunden tot. Ich sehe sie noch vor mir, meine schöne Hovawarth-Hündin, sie lief ein paar Schritte vor mir, voller Lebensfreude. Das Herz hörte so schnell auf zu schlagen. Und dann stand ich da, inmitten wunderschöner blühender Wiesen, zwischen zwei verlassenen Dörfern. Freunde standen neben mir, genauso betroffen wie ich von so einem jähen Ende. Es blieb uns nichts anderes übrig als den Hund an Ort und Stelle zu beerdigen. Mir meinem Auto hätte ich nicht zu diesem Ort fahren können. Wir fanden einen schön blühenden Judasbaum zwischen alten Eichenbäumen. Dort haben wir sie hingelegt, mit Blumen, Gras und ein paar frischen Ästen abgedeckt. Mir ist klar was mit ihr passieren wird, aber ich denke dieser „Kreislauf der Natur“ ist etwas Natürliches und somit kann ich es besser akzeptieren als ihren sinnlosen Tot.

Wir setzten unsere Wanderung fort, traurig und nachdenklich. Das Wort Zyankali hatte ich sofort wieder vergessen.

Im Dorf angekommen in dem wir morgens gestartet waren und wo man uns kennt fragte der Wirt des Lokals sofort nach dem Hund. Sein Hund sieht aus wie mein Hund und Panos hatte immer einen Leckerbissen bereit liegen. Ich erzählte ihm was passiert war und seine griechischen Flüche möchte ich lieber nicht weitergeben. Nach mehreren ganz drängenden Fragen sagte er mir flüsternd den Namen des Giftes. Mehr wollte er nicht sagen. Am nächsten Tag fuhr ich wieder zu ihm, denn ich wollte mehr erfahren. Sein Freund Takis war etwas gesprächiger und er erzählte mir – wenn auch nur flüsternd - folgendes: Seit einiger Zeit werden Ampullen mit Gift ausgelegt. Keiner weiß woher das Gift kommt, man kann es nicht kaufen, die Jäger bekommen es nur über ihren Verein. Es ist strengstens verboten, aber: Ti na kanume … Ich konnte ihn dann noch dazu bewegen mir den Namen des Mittels aufzuschreiben damit ich mehr erfahren kann. Im Internet haben wir es dann bei Wikipedia gelesen: Blausäure, Zyankali.

Nun habe ich ein Problem. Erstens ich kann ohne teure Laboruntersuchungen nichts beweisen, und selbst wenn, wie soll ich den Schuldigen finden? Ich habe noch mal an Ort und Stelle nachgeschaut, bin extra noch mal zu der Stelle gelaufen, aber in dem hohen Gras … nichts zu sehen. Ich weiß nicht in welcher Form das Gift ausgelegt wird. Sind es Kunststoffampullen? Wie groß sind sie? Welche Farbe haben sie? Wann werden sie ausgelegt? Muss man wirklich mit Zyankali gegen Füchse vorgehen? Mit Lanet konnten wir inzwischen umgehen, aber Zyankali? Was passiert wenn der Hund eines Touristen stirbt? Nicht jeder hat gelernt mit dieser Art der Hundebestattung zu leben, Oder noch schlimmer: Was passiert wenn ein Kind damit in Berührung kommt? Wenn wir wandern pflücken wir Blumen, schauen uns Insekten und Schlangen an, wir machen Halt um eine Schildkröte zu fotografieren oder schöne Steine aufzuheben. Wie sieht das Gift aus? Der Name von dem Gift spielt eigentlich keine Rolle, wir können sowieso nicht weiter danach forschen. Wichtig wäre aber, dass denjenigen, die das Gift auslegen, bewusst wird, dass sie damit zu einen ihre Tierwelt zerstören und zum anderen dem rückläufigen Tourismus schaden.

Meine Freundin die im Mai mit ihren zwei Hunden kommen wollte hat sofort ihren Flug abgesagt und ein Freund der im Anschluss daran mit Hund kommen wollte hat meine Einladung dankend abgelehnt. Ich kann es ihnen nicht verdenken.